Arbeitgeber: Tarifeinheitsgesetz soll Streiks verhindern

Die Arbeitgeber sprechen das aus, was die Bundesregierung bisher stets in Abrede gestellt hat: Das Tarifeinheitsgesetz dient zur Beschränkung von Streiks. Die Chemie-Arbeitgeber haben jetzt mit entwaffnender Klarheit zum Ausdruck gebracht, welche Wirkung sie sich vom Tarifeinheitsgesetz versprechen: „Wenn es einen für alle Beschäftigten geltenden Tarifvertrag gibt, dann gilt die Friedenspflicht für alle, die unter diesen Tarifvertrag fallen. Eine Spartengewerkschaft darf daher ihre Mitglieder nicht zu einer Arbeitsniederlegung aufrufen, wenn im Betrieb ein Tarifvertrag besteht, der für die gesamte Belegschaft gilt — also auch für die Angehörigen der betreffenden Berufsgruppe“, heißt es im aktuellen Newsletter „Impuls“ des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC).

Während Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bei der Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes am 22. Mai im Bundestag noch davon sprach, das Koalitionsrecht und das Streikrecht werde nicht angetastet, erspart sich der Chemie-Arbeitgeberverband solche Verrenkungen und sagt frei heraus: „Deutschland braucht Stabilität statt Streikchaos.“ Dass Deutschland im internationalen Vergleich eines der Länder mit dem geringsten Streikaufkommen ist, lässt der BAVC bewusst unter den Tisch fallen. Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung fielen hierzulande zwischen 2005 und 2013 im Jahresdurchschnitt pro 1.000 Beschäftigte rechnerisch 16 Arbeitstage aus. In Frankreich kamen auf 1.000 Beschäftigte hingegen im Jahresmittel 139 Arbeitskampftage, in Dänemark 135 und in Irland 28, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Anteil der Berufsgewerkschaften an diesem ohnehin schon niedrigen Streikaufkommen ist vergleichsweise gering. Der WSI-Gewerkschaftsforscher Reinhard Bispinck hat kürzlich in einer Expertise zur Rolle der Berufs- und Spartengewerkschaften geschrieben: „Die Bedeutung der Streiks in der Tarifpolitik der Berufsgewerkschaften wird deutlich überschätzt.“ Weiter heißt es dort: „Die Streikstatistik des WSI-Tarifarchivs weist aus: In den Jahren 2006 bis 2014 gingen auf das Konto der Berufsgewerkschaften 6,7 Prozent der Streiktage.“